Das Comeback der Stechuhr? – Wegweisender Beschluss des Bundesarbeitsgerichts
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13. Oktober 2022Das OLG Nürnberg hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH persönlich für einen Schaden haftet, der dadurch eingetreten ist, dass dieser es unterlassen hat, ein Compliance Management System im Unternehmen zu errichten (Endurteil vom 30.03.2022, Az.: 12 U 1520/19).
In dem konkreten Fall ging es um eine GmbH & Co. KG, die im Vertrieb von Mineralölprodukten tätig war und unter anderem Tankkarten zum bargeldlosen Bezahlen an ihre Kunden ausgab. Bei diesem Tanken auf Rechnung mit Kreditlimit wurden alle Tankvorgänge monatlich abgerechnet. Nachdem jedoch bei einem Kunden der Zahlungsausfall eintrat, da das Kreditlimit nicht überprüft und keine Sperrung der Karte erfolgt war, beschloss der Beirat der Gesellschaft eine Begrenzung des ungesicherten Tankkredits auf € 25.000,00. Bei höheren Krediten musste von nun an der Beirat seine Zustimmung erteilen. Zudem wurde vereinbart, dass der Beirat die monatlichen Abrechnungen kontrollieren und darauf achten solle, dass die Mitarbeiter nur innerhalb ihres Kompetenzbereichs tätig werden.
Entgegen dieses Beschlusses gab ein Mitarbeiter der GmbH & Co. KG auch Tankkarten an in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Unternehmen aus, die ihren vereinbarten Tankkredit bereits ausgeschöpft hatten. Um dies zu vertuschen ordnete der Mitarbeiter die Tankkarten anderen Unternehmen zu. Bei der späteren Abrechnung durch die Buchhaltung ließ er sich die Rechnungen und Mahnungen an die vermeintlichen Unternehmen aushändigen und ordnete diese wieder den richtigen, in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmen zu. Da diese Unternehmen aber nicht in der Lage waren, weder die aktuellen noch die vorherigen Rechnungen zu begleichen, wurden die Forderungen der GmbH & Co. KG gegen diese immer größer und beliefen sich schließlich auf rund € 800.000,00.
Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bekam von alledem nichts mit. Und hier liegt das Problem. Aufgrund der Sorgfaltspflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG war der Geschäftsführer verpflichtet, bei kritischen unternehmensinternen Arbeitsprozessen das Vier-Augen-Prinzip einzuführen. Eine Delegation an geeignete Mitarbeiter ist zwar möglich, die letztliche Verantwortung verbleibt allerdings beim Geschäftsführer. Kritische Prozesse sind immer dann gegeben, wenn sie bei nicht ordnungsgemäßer Durchführung Personenschäden oder finanzielle Auswirkungen für die Gesellschaft hervorrufen. Liegt ein solcher Fall vor, dürfen diese Prozesse nur dann durchgeführt werden, wenn mindestens zwei entscheidungsbefugte Personen eine gleichlautende Entscheidung getroffen haben. Durch die Ausgabe von Tankkarten kann dem Unternehmen – wie vorliegend – ein finanzieller Schaden entstehen. Die Begründung, dass das Vier-Augen-Prinzip aufgrund fehlenden Personals nicht eingehalten werden kann, ist nicht haltbar, da notfalls auch der Geschäftsführer selbst als zweite Person diese Aufgabe wahrnehmen muss. Dieser Überwachungspflicht ist der Geschäftsführer im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Kommt es aufgrund dessen zu einer Straftat oder eines sonstigen Fehlverhaltens oder wird ein solches begünstigt, ist bereits darin eine Pflichtverletzung zu sehen. Diese kann zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft führen.
Zur Erfüllung der ihn treffenden Überwachungspflicht muss der Geschäftsführer zudem stichprobenartige Kontrollen durchführen oder, wenn diese nicht ausreichen sollten, überraschende umfassende Geschäftsprüfungen veranlassen, solange die Maßnahmen noch objektiv für die Mitarbeiter zumutbar sind.
Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen für die Compliance in Unternehmen. Aus diesem Grund ist es ratsam, kritische Prozesse im eigenen Unternehmen zu ermitteln und ggf. das Compliance Management System zu überprüfen und das Vier-Augen-Prinzip einzuführen. Wurde bisher kein Compliance Management System eingerichtet, sollte dies dringend nachgeholt werden, da nach Auffassung des OLG Nürnberg die Einrichtung und Überwachung angemessener Compliance-Strukturen unerlässlich ist.
Auswirkungen hat das Urteil auch auf (geplante) Transaktionen: Im Rahmen der Due Diligence sollte daher der Prüfung der Compliance-Strukturen des Zielunternehmens Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn spätestens ab dem Closing trägt der Erwerber und somit letztlich der bestellte Geschäftsführer die Verantwortung für ein taugliches Compliance Management System.
Sollten Sie Fragen zu den Auswirkungen haben, sprechen Sie uns gerne an!