Update BAG Beschluss zur Arbeitszeitenerfassung
3. Januar 2023Steuertipps für das Jahr 2023
23. Januar 2023Vielfältige Gestaltungen mit dem Vorbehaltsnießbrauch sind schon längst ein fester Bestandteil der steuerberatenden Praxis. Mit den steuerrechtlichen Auswirkungen dieser Gestaltungen hatte sich nun auch die Oberfinanzdirektion NRW zu befassen, die ihr Resümee in ihrer aktuellen Anweisung vom 16.03.2022 – S 2241 – 2022/0002 – St 115 veröffentlichte.
I. Allgemeines
Bei der Übertragung einer Sache, einem Recht oder einem Vermögenswert unter Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs behält sich der Übertragende (Nießbraucher) ein Nutzungsrecht an dieser Sache, diesem Recht oder diesem Vermögenswert zurück. Die Substanz der Sache (Vermögensstock) wird beispielsweise auf Kinder übertragen, während die Erträge (Fruchtziehungsrecht aus dem Nießbrauch) bei den Eltern verbleiben.
II. Gestaltungspotenzial
Der praktisch am häufigsten vorkommende Anwendungsfall des Nießbrauchs besteht darin, dass Eltern ihre Immobilie zu Lebzeiten auf ihre Kinder übertragen und sich das Recht auf die Miete zurückbehalten (= Vorbehaltsnießbrauch). Dies hat den Vorteil, dass die Kinder als zukünftige Erben bereits im Voraus zu Eigentümern der Immobilie werden und die Eltern weiterhin den Nutzen aus dieser ziehen.
Der Nießbrauch kann überdies an allen Sachen, Rechten und Vermögenswerten bestellt werden. So kann der Mitunternehmer/Gesellschafter einer Personengesellschaft/GmbH seine Anteile auf einen Dritten übertragen, sich aber Stimmrechte und/oder die laufenden Erträge zurückbehalten. Der Umfang des Nießbrauchs und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten sind frei ausgestaltbar.
In Betracht kommt der Nießbrauch insb., wenn der Schenker seinen Kindern zu Lebzeiten Eigentum verschaffen will, um z.B. Erbstreitigkeiten zu vermeiden oder um Freibeträge in der Schenkungssteuer optimal auszunutzen und sich zugleich eine Altersabsicherung schaffen will.
III. Konkrete Auseinandersetzung mit Nießbrauchsrecht
- Zivilrechtliche Absicherung des Schenkers
Im Rahmen der Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch hat der Schenker die Möglichkeit sich durch den Vermögenswert (z.B. die Immobilie oder die Gesellschaftsanteile) auch nach der Übertragung noch weiträumig finanziell abzusichern. Er kann die Erträge der Gesellschaft oder die Einnahmen aus Vermietung zurückbehalten.
- Schenkungs- und erbschaftssteuerrechtliche Folgen
Gleichzeitig können durch eine derartige Gestaltung schenkungs- und erbschaftssteuerrechtliche Freibeträge optimal ausgenutzt werden. Überträgt ein Vater seiner Tochter bspw. ein Grundstück im Wert von € 500.000,00, so wäre diese Übertragung schenkungssteuer- bzw. erbschaftssteuerpflichtig. Die jeweiligen steuerrechtlichen Freibeträge von € 400.000,00 wären verbraucht und die übrigen € 100.000,00 zu versteuern. Die Übertragung des Grundstücks zu Lebzeiten unter Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs senkt den Wert der Bereicherung um den Wert des Nießbrauchs. Der Wert des Nießbrauchs wird aus dem Jahreswert (Bsp. Jahresmieteinnahmen) und der Laufzeit errechnet. Die Laufzeit wird durch einen Vervielfältiger dargestellt, der aus der zukünftigen Lebenserwartung bestimmt und aus sog. statistischen „Sterbetafeln“ abgeleitet wurde. Ist der Vater nun 50 Jahre alt und behält sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zurück, so liegt der Faktor bei bspw. 15,001. Multipliziert mit Jahresmieteinnahmen von z.B. € 12.000,00 ergibt sich ein Nießbrauchswert von € 180.012,00. Der Wert der Bereicherung sinkt somit von € 500.000,00 auf € 319.988,00, so dass bei Kindern entsprechend des Freibetrags von € 400.000,00 keine Schenkungssteuer anfällt.
IV. Neuigkeiten für Nießbrauchsgestaltungen im Zusammenhang mit Personengesellschaften
Die OFD NRW beschäftigte sich nun mit der Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Vorbehaltsnießbrauch (also mit Übertragungen von gewerblichen Personengesellschaftsanteilen – bspw. bei GmbH & Co. KG – unter Vorbehaltsnießbrauch). In der Vergangenheit hatte sich in der steuerberatenden Praxis das Modell der sog. doppelten Mitunternehmerstellung etabliert. Die mit dem Schenkungsvertrag verbundene Nießbrauchsvereinbarung wurde derart ausgestaltet, dass sowohl der Schenker eines Mitunternehmeranteils als auch der Beschenkte die Voraussetzungen an eine Mitunternehmerstellung erfüllen. So behielt sich z.B. der Schenker die laufenden Erträge und das Stimmrecht in laufenden Angelegenheiten zurück, während der Beschenkte das Stimmrecht in Grundlagengeschäften ausübte und an den stillen Reserven teilnahm. Durch sein Urteil aus dem Jahre 2017 (Az. X R 59/14) hat der Bundesfinanzhof Zweifel an der Zulässigkeit dieses Modells gesät, indem er entscheiden hat, dass die Übertragung eines Einzelunternehmens unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der dem Übertragenden die Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit erlaubt, der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG entgegensteht. Bestätigend hierzu und gleichzeitig aber auch die Unterschiede zur Übertragung von Mitunternehmeranteilen darstellend, positionierte sich die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 20.11.2019 (BStBl 2019 I S. 1291). Die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung seien gerade auf den Fall der Übertragung von Einzelunternehmen zugeschnitten und nicht auf die Übertragung von Mitunternehmeranteilen anwendbar. Dem schließt sich nun auch die OFD NRW in ihrer aktuellen Anweisung an. Folglich wird die Verdoppelung der Mitunternehmerstellung in der finanzverwaltungsrechtlichen Praxis dem Grunde nach als zulässig erachtet, wenn Schenker als auch Beschenkter Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative zeigen.
V. Steuerrechtliche Auswirkungen der „doppelten Mitunternehmerstellung“
- Zurechnung von Einkünften im Rahmen der Einkommenssteuer
Ertragssteuerlich erzielt nur der Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Tritt hierneben der Nießbraucher, der nicht Mitunternehmer ist, und stehen ihm die laufenden Erträge zu, so sind diese beim Mitunternehmer zu versteuern und dann aufgrund der zivilrechtlichen Vereinbarung an den Nießbraucher weiterzureichen. Es kommt demnach zu der regelmäßigen unerwünschten Situation, dass dem Mitunternehmer steuerrechtliche Einkünfte zugerechnet werden, die ihm zivilrechtlich nicht zustehen. Der Mitunternehmer muss folglich Steuern für Einkünfte bezahlen, die er zivilrechtlich gar nicht behalten darf, sondern dem Nießbrauchsberechtigten auskehren muss. Für diesen Fall sollte zwischen den Parteien unbedingt vereinbart werden, dass dem Nießbraucher lediglich der Netto-Gewinnanteil, also nach Abzug der persönlichen Einkommenssteuerbelastung beim Mitunternehmer, zustehen soll.
Werden im Vergleich der Nießbraucher als auch der Beschenkte, Mitunternehmer („doppelte Mitunternehmerstellung“), so können beide gewerbliche Einkünfte erzielen, was zur Folge hat, dass die Einkünfte jeweils bei der Partei besteuert werden, welcher sie auch zivilrechtlich zustehen. Eine solche Gestaltung verursacht demnach keine der oben beschriebenen Probleme, so dass bei Mitunternehmeranteilen ein exaktes Austarieren der Rechtspositionen zwischen Gesellschafter und Nießbrauchsberechtigten ganz wesentlich ist.
- Fortführung der ertragsteuerlichen Buchwerte im Rahmen der Schenkung
Überdies kann es bei der Verdoppelung der Mitunternehmerstellung auch zu einer sog. ertragsteuerlichen Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG kommen. Abweichend vom Grundsatz der Aufdeckung und ertragssteuerlichen Besteuerung der stillen Reserven bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen, werden die Vermögenswerte der Gesellschaft bei der Buchwertfortführung auch nach der Übertragung noch mit dem bilanziellen Buchwert bemessen, sodass die stillen Reserven nicht aufgedeckt werden und so eine Ertragsbesteuerung in Schenkungsfällen vermieden werden kann.
Wird hingegen der Beschenkte nicht Mitunternehmer, weil die Rechte des Nießbrauchsberechtigten zu stark ausgestaltet sind, droht eine Aufdeckung von stillen Reserven, was der BFH in der Vergangenheit in Einzelfällen bereits bejaht hatte.
- Erhaltung der schenkung- und erbschaftsteuerlichen Privilegien für Betriebsvermögen
Gleichzeitig ist auch der Anwendungsbereich der erbschaftssteuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften aus §§ 13a, b ErbStG eröffnet, wenn in der vorliegenden Situation der Beschenkten auch Mitunternehmer (die Zulässigkeit der Verdopplung der Mitunternehmerstellung hilft hierbei folglich) wird. Erfüllt er diese Kriterien nicht, weil die Rechtsposition des Nießbrauchsberechtigten zu stark ausgestaltet wird, ist die Schenkung oder der Erbfall ohne die Privilegien für Betriebsvermögen zu besteuern, was erhebliche negative Auswirkungen haben kann.
VI. Fazit
Die Nutzung von Nießbrauchsrechten bei Gestaltungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bietet viele Möglichkeiten und auch die Hebung von Steueroptimierungspotentialen, insbesondere zur Ausnutzung der Freibeträge in der Schenkung- und Erbschaftsteuer. Das Austarieren der Rechtspositionen zwischen Beschenktem und Schenker bedarf exakter Regelungen aus diversen Gründen – insbesondere dann, wenn es um die Übertragung von Mitunternehmeranteilen geht.
Im Rahmen der Übertragung des Vermögensstamms ist bspw. zu klären, wem die laufenden Erträge / Einnahmen bzw. das sog. Fruchtziehungsrecht zustehen sollen und wer zugleich außergewöhnliche Aufwendungen zu tragen hat. Wird bspw. ein neues Dach benötigt, sollte berücksichtigt werden, dass die Aufwendungen steuerlich nur in Abzug zu bringen sind, wenn derjenige, der gleichzeitig zu versteuerndes Einkommen aus dem Grundstück bezieht, die Aufwendungen trägt.
Gleichzeitig ist auch zu regeln, wem bspw. der Erlös aus einem Verkauf des Vermögensstamms zufließen soll. Soll der Erlös dem Nießbrauchsberechtigten zufließen, könnten bei einer erneuten späteren Übertragung, angesichts dessen, dass die Freibeträge durch die erste Übertragung ausgeschöpft sind, wieder schenkungs- und erbschaftssteuerrechtliche Verpflichtungen aufkommen. Behält sich der Schenker das Fruchtziehungsrecht auch in Bezug auf den Erlös aus dem Verkauf des Vermögensstamms zurück, ist generell fraglich, ob eine Übertragung sinnvoll ist, da aus wirtschaftlicher Betrachtung nichts übertragen wird und ggf. dennoch Schenkungsteuer anfällt.
Bezogen auf die Übertragung von Mitunternehmeranteilen ist insb. auch die Zuordnung der Vermögens- und Verwaltungsrechte sauber zu regeln, um aus steuerrechtlicher Sicht entsprechend der wirtschaftlichen Ziele zur Begründung der doppelten Mitunternehmerstellung zu gelangen bzw. sie zu verhindern.
Es ist also festzuhalten, dass der Vorbehaltsnießbrauch als vielfältiges Gestaltungsmittel flexibel einsetzbar und individuell ausgestaltbar ist, jedoch einer sauberen interessengerechten Austarierung der wechselseitigen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ziele im Einzelnen bedarf.
Wenn Sie weitere Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an.
Ihr BZG Team