Als Führungskraft gekündigt, muss ich mich arbeitssuchend melden?
1. Dezember 2022Der Vorbehaltsnießbrauch als vielfältiges Gestaltungsmittel
9. Januar 2023Wir informierten Sie hier bereits über den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 12.09.2022 (1 ABR 22/21). Jetzt hat das BAG die Entscheidungsgründe zu diesem heiß diskutierten Beschluss veröffentlicht. Wie angekündigt geben wir ein kurzes Update dazu, wie die Arbeitszeiterfassung künftig vorzunehmen sein soll.
Das BAG verlangt nach der Begründung, dass alle Arbeitgeber – egal ob mit oder ohne Betriebsrat – ein System zur Erfassung des Beginns und Endes der Arbeitszeit einrichten. Davon umfasst sein sollten auch Pausen, sowie Überstunden. Diese Pflicht leitet das BAG nach unionsrechtskonformer Auslegung aus der Generalklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ab.
Gefordert sind die Arbeitgeber bereits jetzt. Aufgrund der vom BAG hergeleiteten gesetzlich bereits bestehenden Pflicht bedarf es keiner vorherigen Umsetzungsfristen. Allerdings ist die Nichtumsetzung derzeit noch nicht bußgeldbewehrt und stellt ebenfalls noch keine Ordnungswidrigkeit dar.
Doch welche exakten Vorgaben macht das BAG?
Der Arbeitgeber ist kraft Gesetzes verpflichtet ein objektives, verlässliches und zugängliches System für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten einzurichten. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung gesteht das BAG dem Arbeitgeber ein Wahlrecht zu. Es muss mithin nicht die „Stechuhr“ verwendet werden, vielmehr bleibt die Wahl zwischen elektronischen und händischen Zeiterfassungssystemen. Der Arbeitgeber hat jedoch einschränkend die jeweils gegebenen Einzelfallumstände des Unternehmens oder der jeweiligen Tätigkeit bei der Wahl des Systems zu berücksichtigen. Der Kostenfaktor darf nicht die Grundlage der Entscheidung bilden, schließlich dient die Zeiterfassung primär dem Wohl des Arbeitnehmers, welchem ein höheres Gewicht zukommt als rein monetären Erwägungen. Schließlich steht es dem Arbeitgeber frei, verschiedene Zeiterfassungssysteme zu etablieren, sodass tätigkeitsangemessene Systeme einzelfallgerecht zum Einsatz kommen können.
Der Umfang der Aufzeichnungspflicht umfasst zweifelsfrei sowohl den Beginn als auch das Ende der Arbeitszeit. Nicht explizit angesprochen wurde die Pausenzeiterfassung. Um jedoch eine objektiv verlässliche Dokumentation gewährleisten zu können, wird es einer exakten Pausenzeiterfassung – und kein bloß pauschaler Abzug der Pausenzeiten – bedürfen.
Weiterhin steht es dem Arbeitgeber frei, die Zeiterfassungspflicht auf seine Arbeitnehmer zu delegieren. Wird dieser – deutlich praxisnähere – Weg gegangen, muss der Arbeitgeber neben der Bereitstellung des Zeiterfassungssystems auch dafür Sorge tragen, dass dieses System von den Arbeitnehmern genutzt wird. Es empfiehlt sich, die Beschäftigten schriftlich dazu zu verpflichten, die Systeme ordnungsgemäß zu verwenden und zusätzlich stichpunktartige Routinekontrollen durchzuführen.
Leitende Angestellte sollen laut BAG von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen sein. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob weitere Ausnahmen von der Aufzeichnungspflicht bestehen (werden). Hierfür ist ein gesetzgeberisches Tätigwerden erforderlich.
Eine weitere große Frage stellte das Thema Vertrauensarbeitszeit dar. Vor Bekanntgabe der Entscheidungsgründe stellte sich die Frage, ob Vertrauensarbeitszeit nach dem Beschluss des BAG überhaupt noch möglich sei. Nach der Durchsicht der Argumentation des BAG ist nach (wohl) allgemeiner Auffassung das Modell der Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich. Vertrauensarbeitszeit muss aber so verstanden werden, dass dies bezogen auf die Entscheidungsfreiheit bezüglich der Lage der Arbeitszeit gilt. Die Möglichkeit Arbeitszeiten generell nicht zu erfassen wurde mit dem Beschluss begraben. Im Ergebnis ist mithin selbstbestimmtes Arbeiten mit freier Planung der Zeiteinteilung unter Beachtung der Vorgaben des BAG weiterhin möglich.
Existiert ein Betriebsrat ist dieser bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung („Wie“) mit einzubeziehen, § 87 Abs. 1 Nr. 6, 7, BetrVG.
Zusammenfassung und Ausblick
Im Kern geht aus den Entscheidungsgründen hervor, dass es dem Arbeitgeber überlassen bleibt, wie die Zeiterfassung auszugestalten ist. Dass Zeiten erfasst werden müssen steht nach dem Urteil des BAG fest.
Nicht zu vergessen ist, dass es sich hierbei „nur“ um einen Beschluss eines Gerichts handelt. Der Gesetzgeber ist weiterhin gefordert, diese Thematik zu regeln. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales („BMAS“) hat offiziell bekannt gegeben, dass eine gesetzliche Regelung – zunächst in Form eines Referentenentwurfs – voraussichtlich im ersten Quartal 2023 zu erwarten ist.
Die Arbeitgeber befinden sich nunmehr in der misslichen Lage einer Interimsphase. Zum einen müssen sie das derzeit geltende Recht – konkretisiert durch den Beschluss des BAG – befolgen, zum anderen erfolgt bald ein Tätigwerden des Gesetzgebers, wonach sich zumindest teilweise wiederum Änderungen ergeben können.
Dennoch kann empfohlen werden, interne Systeme zur Arbeitszeiterfassung mit den Vorgaben des BAG abzugleichen.
Wir werden Sie bzgl. des weiteren Verlaufs – insbesondere der gesetzgeberischen Tätigkeit – auf dem Laufenden halten, damit Sie schnellstmöglich und rechtssicher reagieren können.
Für etwaige Rückfragen stehen wir Ihnen zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an!