Inflationsausgleichsprämie
20. Oktober 2022Update BAG Beschluss zur Arbeitszeitenerfassung
3. Januar 2023Wird in einem Kündigungsschutzverfahren festgestellt, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, hat der Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Annahmeverzugs gegen den Arbeitgeber. Mit der Frage, ob dieser dadurch entfällt, dass der Arbeitnehmer unterlässt, sich arbeitssuchend zu melden, musste sich das BAG nun erneut befassen.
§ 11 KSchG regelt die Anrechnung von tatsächlichen und entgangenen Zwischenverdiensten und öffentlich-rechtlichen Leistungen. Gem. § 11 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auch das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Wer also vorsätzlich, ohne ausreichenden Grund verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird, unterlässt es im Sinne von § 11 Nr. 2 KSchG böswillig, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Eine Schädigungsabsicht ist für die Böswilligkeit i.d.S. nicht erforderlich.
Grundsätzlich besteht nach § 38 I SGB III eine gesetzliche Pflicht, sich im Falle der Beendigung eines Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen zufolge findet diese Meldepflicht auch beim Annahmeverzug im Rahmen der Anrechnung nach § 11 KSchG Beachtung. Dem Arbeitnehmer könne hier das zugemutet werden, was ihm gesetzlich ohnehin auferlegt wird.
Bei § 11 Nr. 2 KSchG und § 38 I SGB III handelt es sich um Obliegenheiten, deren Verletzung zur Versagung bestimmter Ansprüche führt. Das Landesarbeitsgericht vertrat im Berufungsurteil (Urteil vom 09.11.2021 – 10 Sa 15/21) die Ansicht, der Arbeitnehmer verliere in diesem Falle vollständig den Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt. Solche Ansprüche entstünden demnach nur, wenn sich der gekündigte Arbeitnehmer als arbeitssuchend gemeldet hat.
Im maßgeblichen Fall waren sich die Parteien uneinig, ob der Sinn und Zweck der Meldepflicht nach § 38 I SGB III auch bei herausgehobenen Managementpositionen erreicht wird. Der Kläger war der Ansicht, Führungspositionen wie die seine würden nicht seitens der Agentur für Arbeit vermittelt, sondern ausschließlich über „Headhunter“ besetzt werden. Das Landesarbeitsgericht beurteilte diesen Punkt jedoch anders. Ein dahingehender Erfahrungssatz bestünde nicht, vielmehr existiere sozialrechtlich keine Beschränkung der Vermittlungsaufgaben der Arbeitsagentur.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist ebenfalls nicht der Ansicht, dass sich Mitarbeiter in Leitungsfunktionen generell nicht beim Arbeitsamt melden müssen. Die bloße Weigerung, sich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend zu melden, reichte dem BAG jedoch für die vollständige Verweigerung der Nachzahlung des geschuldeten Arbeitsentgelts nicht aus. Bereits in einem vorherigen Urteil (BAG, Urteil vom 27.5.2020 – 5 AZR 387/19) sprach das BAG jedenfalls nur von einer teilweisen Hinderung der Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs.
Die Rechtsprechung des BAG hat sich diesbezüglich seit dem Jahr 2000 geändert. Arbeitnehmer seien schon nach § 2 V SGB III zur aktiven Mitarbeit zwecks Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit verpflichtet. Arbeitnehmern könne jedenfalls das zugemutet werden, wozu sie gesetzlich ohnehin verpflichtet sind. Diese Änderung in der Rechtsprechung mindert das Annahmeverzugsrisiko von Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen deutlich.
Auch für Arbeitnehmer in höheren Führungspositionen bedeutet das, sich im Falle einer Kündigung arbeitssuchend zu melden und mit Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit ernsthaft auseinanderzusetzen, statt auf eine volle Entgeltfortzahlung in Form von Annahmeverzugslohn zu vertrauen.
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